Bevölkerung

Sozialgeographische Gegebenheiten

Migrationsströme in Städte und Industrieräume, die meist auf dem Hochlandblock oder an der nördlichen Grenze liegen – und in die Vereinigte Staaten sind seit den 1970er Jahren stetig zu verzeichnen. Die wirtschaftspolitische Umorientierung von einer importsubstituierenden zu einer exportorientierten Wirtschaft Anfang der 1980er Jahre verstärkte den Trend der Umsiedlung.

Küstengebiete bleiben dagegen dünn besiedelt und werden überwiegend für den Tourismus genutzt.

Die Metropolregion um Mexiko Stadt mit ihren 20.117.000 Einwohnern wird heute von 18% der Gesamtbevölkerung des Landes bewohnt. Mehr als 360.000 von ihnen sind Indigenas, die aus vielen der 64 Ethnien Mexikos stammen. Weitere Millionenstädte und Wirtschaftszentren sind Guadalajara (ca. 4.4 Mio. Einwohner), Monterrey (ca. 4.1 Mio. Einwohner) und Puebla (ca. 2.7 Mio. Einwohner).

Wegen mangelhafter Infrastruktur und fehlenden Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten auf dem Land, sind vor allem ab Mitte der 1990er Jahre ländliche Räume zunächst von Männern, zunehmend aber auch von arbeitsfähigen Frauen verlassen worden. Viele Ethnien die in die USA ausgewandert sind, haben dort richtige Enklaven gebildet um ihre Kultur und Sprache aufrechtzuerhalten. Mit Traditionspflege und sozialen Netzen versuchen sie, die heimatliche Bindung aufrecht zu erhalten und gegen die Entwurzelung anzukämpfen. Es ist üblich, soweit die finanziellen Mittel dies erlauben, sich bei der Organisation von Patronatsfesten in den mexikanischen Ursprungsdörfern zu engagieren oder sogar für einige Tage dorthin zu reisen. Da viele der in USA lebenden Mexikaner illegal das Land verlassen haben, ist der Besuch des Dorfes mit erneuten, gefährlichen, illegalen Grenzübertritten verbunden. Andererseits hat der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur die Mobilität erleichtert.

Eine Städte-Übersicht aus dem Zensus 2010 listet nicht nur als wichtigste Städte die Hauptstädte der 31 Bundesstaaten, sondern auch alle Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern auf.

Ethnizität, Sprache(n)

Mexiko ist ein Vielvölkerstaat, dessen größter Bevölkerungsanteil (80 %) von Mestizen, den Nachkommen von Spaniern und Indigenen, gebildet wird. Ungefähr 10-15 % der Bevölkerung sind einer der mehr als 60 indigenen Ethnien zuzuordnen. Die Zahl variiert, je nachdem welche Definition der ethnischen Zugehörigkeit zu Grunde gelegt wird. Viele dieser Ethnien sprechen noch ihre Sprache. Die Einsicht, dass gute Spanischkenntnisse die Entwicklungschancen erhöhen, hat jedoch in vielen Familien zur Aufgabe der Muttersprache geführt. Im Zentrum und Süden Mexikos leben die meisten indigenen Völker, die z. B. Náhuatl, Maya, Mixteco, Zapoteco, Tzeltal, Tzotzil, Mixe, Zoque o.a. sprechen. Bemühungen von Regierungsseite, die indigenen Kulturen und Sprachen zu erhalten, sind seit einigen Jahren, beispielsweise durch die Förderung indigener Universitäten, zu beobachten. 2003 ist das Ley General de Derechos Lingüísticos de los Pueblos Indígenas, ein Gesetz zu den sprachlichen Rechten indigener Völker, in Kraft getreten. Im diesem Rahmen wurden 68 indigene Sprachen (bzw. Sprachgruppen) als Nationalsprachen anerkannt. Zudem exisitieren verschiedene Gebärdensprachen, wie die Lengua de Señas Mexicana (mexikanische Gebärdensprache), Chatino Gebärdensprache und Yukatekische Maya Gebärdensprache.

Eine weiße ethnische Minderheit, vor allem spanischer Herkunft, macht um die 9 % der Bevölkerung aus. Noch geringer ist der Anteil von Nachfahren afrikanischer Sklaven, die im nationalen Zensus (INEGI) erst seit 2015 berücksichtigt werden, und hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, in isolierten Gemeinden an der Costa Chica in Oaxaca und Guerrero sowie an der Küste von Veracruz leben.

Um die 200.000 Einwohner Mexikos haben deutsche Wurzeln. Die Vielfalt der Kulturen drückt sich in den unterschiedlichsten Traditionen, Festen, Essgewohnheiten und religiösen Bräuchen aus.

Soziale Lage und soziale Klassen

Die OECD bezeichnete Mexiko als eines der Länder mit den größten Einkommensunterschieden der Welt. Laut Informationen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMLEV) verdienten 2013 die oberen 10 % der Einkommensempfänger 39 % des Gesamteinkommens, während die unteren 10 % etwa 1,4 % des Gesamteinkommens beziehen. Die ethnische Zugehörigkeit korreliert stark mit der Einkommenssituation. So gehören beispielsweise 75 % der in extremer Armut lebenden Mexikaner einer indigenen Gruppe an. Dieses soziale und ökonomische Gefälle spiegelt sich auch in den Gesundheits- und Bildungsindikatoren wider.

Während die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 1991 und 2004 jährlich um 1,1 Mio. wuchs, konnte die private Wirtschaft in der gleichen Zeit lediglich 462.000 neue Arbeitsplätze (d.h. ein Drittel) im formellen Sektor schaffen. Die restlichen 70 % der arbeitsfähigen Bevölkerung mussten entweder in die USA auswandern oder im informellen Sektor eine Tätigkeit suchen. Der informelle Sektor macht inzwischen 60 % der Arbeitsplätze aus.

Stadt-Land-Verhältnis

Die geringe Produktivität der Landwirtschaft und die rückständige Infrastruktur auf dem Land machen ein Leben für junge Menschen dort unattraktiv. Im Jahr 1975 lebten noch 60% der Bevölkerung auf dem Land, heute sind es nur noch 22%.

Die Binnenmigration aus ländlichen Gebieten im Süden hat sowohl die modernen, an westliche Standards angepassten, mexikanischen Städte, als auch die großen Industriezentren an der Grenze zu den USA zum Ziel. Das schnelle Wachstum verarmter Vororte in den großen Metropolen ist ein Ergebnis dieser Entwicklung.

Die Region um Mexiko Stadt verzeichnete einen Zuwachs von 700% in den letzen 50 Jahren.

Die Vernetzung von Migranten gleicher ethnischer Abstammung kann dazu dienen, Traditionen, Sprachen und religiöse Bräuche in den Städten zu erhalten. Oft gehen kulturelle Merkmale aber verloren.

Durch ihre politische, wirtschaftliche und soziale Randständigkeit und damit einhergehender zunehmender Verarmung ist die Binnenmigration, vor allem von den ärmeren südlichen Bundesstaaten in  die Grenzregionen zu den USA, stark angewachsen. Die Arbeitsmigration in die USA ist nach wie vor ungebrochen und bedeutend für die Mexikanische Wirtschaft. Sie stellt den größten Strom von Arbeitsmigration in der Welt dar. Durch die Öffnung der bisher noch stark kontrollierten Grenzen soll der wichtigen Rolle der Arbeitsmigrant/innen, als ein Stützpfeiler der Mexikanischen und US-Amerikanischen Volkswirtschaft, Rechnung getragen werden.

Geschlechterverhältnis

Das Wahlrecht wurde den Frauen erst 1953 zugesprochen. Die traditionelle Rolle der Frau als «nur» Hausfrau und Mutter wandelt sich zunehmend hin zu Berufstätigkeit und Verantwortung für die Erwirtschaftung der Lebensgrundlage für die Familie. In der Vergangenheit verließen junge Frauen das Elternhaus nur, um eine eigene Familie zu gründen, während sie dies heute häufig aus Gründen der Ausbildung oder Arbeitsausübung tun. Dieser Rollenwechsel fällt den Beteiligten in vielen Fällen schwer, führt zu innerfamiliären Spannungen und oft zu Gewalt. Das Selbstverständnis der Männer als dominante Figur im Gesellschaftsbild und als Familienoberhaupt (Machismo) ist gleichermaßen im Wandel begriffen, wobei es in großen Teilen des Landes noch immer vorhanden ist. 

Trotz dieser Wandlung war Mexiko zeitlang das Land mit den meisten Schwangerschaften von Mädchen zwischen 10 und 18 Jahren. Noch immer liegt Mexiko mit 66,2 Geburten pro 1000 Frauen im Alter von 15 bis 19 Jahren deutlich über dem OECD Durchschnitt.

Die Lebenserwartung der Frauen hat in den letzten drei Jahrzehnten stark zugenommen, ebenso wie das Bildungsniveau und ihr Anteil   auf dem Arbeitsmarkt. Laut dem Human Development Report waren 2018 43,8% der über 15-Jährigen Frauen berufstätig, bei der männlichen Bevölkerung lag der Anteil bei 78,9%. Im mexikanischen Parlament lag der Frauenanteil 2018 bei 48,4%. Über die Situation der Frauen in Mexiko informiert das Instituto Nacional de las Mujeres.

Altersgruppen

Die mexikanische Bevölkerung wächst weiter, wenn auch mit einer sinkenden Wachstumsrate von 1,18%. Fast ein Drittel der Bevölkerung ist unter 14 Jahre alt, ca. 66% zwischen 15 und 64 Jahre und somit im arbeitsfähigen Alter.

Mikrosoziale Struktur

Frauen und Familie

Die Anzahl der Kinder pro Familie ist von 5 in den 1990 Jahren auf 2,15 in 2018 gesunken. Für den Zusammenhalt in den Familien sind größtenteils noch immer die Mütter zuständig. Die emotionalen Bindungen in mexikanischen Familien sind sehr stark, oft auch zur Großfamilie. Bindungen zu Verwandten und geschätzten Freunden werden oft durch einen „künstlichen“ Verbund, „Compadrazgo» genannt, gestärkt. Der Compadre (Pate) erhält diesen Sondertitel aus Dankbarkeit für geleistete Hilfestellung in finanziellen, materiellen oder emotionalen Belangen. Die „Comadre“ (Patin) steht der Mutter zur Seite.

Indigene Bevölkerung

Die Konzentration indigener Völker in den südlichen Staaten ist stärker als im Norden. Allen ist gemeinsam, dass sie in extremer Armut leben und oft ausgegrenzt, am Rande der Gesellschaft stehen. Bis Anfang der 1980er Jahre wurden die indigenen Völker als ein rückständiges

„Überbleibsel“ betrachtet, mit dem die mexikanische Mestizo-Gesellschaft umzugehen versuchte und das assimiliert werden würde. Durch die Kritik von Intellektuellen und Bewegungen, vor allem durch den Kampf der zapatistischen Befreiungsarmee 1994 um die Anerkennung indigener Rechte, wird heute eher halbherzig ein „Miteinander“ der vielfältigen Kulturen propagiert, ohne jedoch entscheidend an einer Verbesserung der Lebensbedingungen zu arbeiten.

Manche Bundesstaaten (Oaxaca, 1995) haben die Landesgesetze dahingehend geändert, dass sich ethnische Gruppen in den Bezirken (Municipios) selbstbestimmt nach eigenen Sitten und Gebräuchen (usos y costumbres) und ohne politischen Einfluss der Parteien regieren und verwalten können. Diese Möglichkeit ist in der Verfassung seit 2001 verankert. Im südlichen Bundesstaat Chiapas betreibt die zapatistische Bewegung eine eigene Regierungsform, die Caracoles, ohne dies je mit der bundesstaatlichen Regierung ausgehandelt zu haben.

Bildung

Es besteht Schulpflicht für die Grund- (6 Jahre) und Mittelschule (3 Jahre). Die öffentliche Schule und die Schulbücher sind kostenlos. In öffentlichen Schulen wird kein Religionsunterricht erteilt. In der Bildung wird auch die Kluft zwischen Stadt und Land und zwischen indigenen Völkern und Mestizen deutlich: während 27% der Indigenen nicht lesen und schreiben können, liegt die nationale Rate von Analphabeten bei 9,5%. Kinder von Tagelöhnern, sogenannte Jornaleros, die oft wandern müssen um Arbeit zu finden, können nur selten eine Schule besuchen.

Schule und Bildungswesen

Das Bildungsministerium, die Secretaría de Educación Pública,  erlässt die Studienpläne und ist für die Inhalte der Bücher zuständig. In der Vergangenheit genossen Lehrer große Anerkennung, vor allem auf dem Land, auch wenn sie selbst eine mangelhafte Ausbildung absolviert hatten. Der Ruf öffentlicher Schulen ist generell schlecht. Alternativen gibt es zwar in den Städten, jedoch in der Regel nicht auf dem Land. Verschiedene Programme steuern hiergegen an.

Lehrer werden nationalen Prüfungen unterzogen, Privatschulen und Universitäten werden stark gefördert. Wer es sich finanziell leisten kann, sendet seine Kinder auf eine Privatschule oder Privatuniversität.

Die staatliche Universidad Nacional Autónoma de México, die größte Universität des Landes, zählt als große Ausnahme zu den besten der Welt. Eine Liste weiterer staatlicher und privater Universitäten ist unter diesem Link zu finden.

Hochschulbildung

Höhere Bildungschancen scheitern an oft unzureichenden organisatorischen und materiellen Bedingungen im staatlichen Universitätssystem. Die Anzahl teurer, an US-amerikanischen Modellen orientierter Privatuniversitäten wächst. Die bildungsmäßigen und sozialen Differenzen manifestieren sich zwischen Stadt- und Landbevölkerung, sowie der indigenen Bevölkerung und der Mehrheitsgesellschaft. Um auf diese Missstände aufmerksam zu machen, erstreikten sich   Studierende der UNAM 1999/2000 auf spektakuläre Weise ihre Rechte. Seit 2003 wurden mehrere sogenannte interkulturelle Universitäten gegründet, in denen teilweise in indigenen Sprachen gelehrt wird

Erwachsenenbildung

Das öffentliche Institut INEA (Instituto Nacional para la Educación de Adultos), das die Erwachsenenbildung fördert, überträgt per Fernsehen Programme zur Grundbildung (Lesen, Schreiben, Rechnen) landesweit, berücksichtigt aber bei den Sendezeiten zu wenig die Bedürfnisse der arbeitenden Interessenten.

Eine Vielzahl kleiner privater Einrichtungen, sog. „Institutos“, bieten vor allem in den großen Städten Bildungsprogramme an.

Gesundheit und Sozialwesen

Das Mexikanisches Institut für soziale Sicherheit (El Instituto Mexicano del Seguro Social, IMSS) und das Insitut für soziale Sicherheit und Sozialleistungen für Staatsbedienstete (El Instituto de Seguridad y Servicios Sociales para los Trabajadores del Estado, ISSSTE) bilden die staatlichen Säulen der Sozialversicherung in Mexiko, bei denen früher vorwiegend Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes versichert waren. Heute werden diese Dienstleistungen (Kranken- und Rentenversicherung) der ganzen Bevölkerung angeboten, jedoch bisher ohne Versicherungspflicht. Private Krankenversicherungen haben wenig Relevanz, da Arztbesuche in Mexiko i.d.R. günstig sind und auf dem Land häufig der Besuch beim örtlichen Heiler (Curandero) bevorzugt wird.

Generell gesehen, genießen mexikanische Ärzte und Kliniken einen guten Ruf. Aus ganz Mittel- und Südamerika kommen Studenten, um ein Medizinstudium in Mexiko zu absolvieren. Die zahnärztliche Versorgung ist dennoch ausbaufähig.

Der Urheber dieser Texte ist Carlos A. Pérez Ricart, geboren 1987 in Mexiko Stadt. Er forschte an der Freien Universität Berlin, machte Station in Oxford und beschäftigte sich dort mit Drogenpolitik, bevor er nach Mexiko zurückkehrte. Ich habe ihn per E-Mail kontaktiert und vorher die Übernahme von Texten mit der GIZ besprochen. Einst waren die Inhalte Teil des Länderportals.